L\'Escalier de la princesse, 1990

L'Escalier de la princesse, 1990, Christoph  Rütimann

Christoph Rütimanns Arbeit mit dem diverse Assoziationen weckenden Titel L'escalier de la princesse besteht aus einer zunächst kaum abschätzbaren Anzahl treppenartig aufgeschichteter mechanischer Personenwaagen, die sich zu einer beträchtlichen Plastik auftürmen. Die schlichten, weissen und in einem flachen Quader geformten Waagen und der strenge Aufbau der Arbeit kontrastieren mit dem poetischen Titel. Hinter letzterem verbirgt sich allerdings die Beschreibung einer simplen Tatsache: es handelt sich nämlich bei den Waagen um 195 identische, zu einer 26-stufigen Treppe aufgeschichtete Personenwaagen der Marke „Princesse".

Die Installation lädt mit ihrer an ein Architekturelement gemahnenden Form zum Gebrauch ein - wie würden die teils sichtbaren Anzeigen der Waagen reagieren, wenn man die „Treppe" emporstiege? - und zeigt gleichzeitig eine abgeschlossene Bewegung an: „Der Waagenstapel ist die Hinterlassenschaft einer vollzogenen Bewegung und ruht, gezeichnet von Belastung, in sich" (Christoph Rütimann). In der schichtweisen Positionierung im Raum verfestigt Rütimann gleichsam die im Grunde labile, „denkbar schlechte statische Qualität" (Max Wechsler) der Waage(n). Über die Spur der Bewegung, die also in dieser Waagentreppe aufgehoben ist, lässt sich denn auch eine der Verbindungslinien zu Christoph Rütimanns weiterem Schaffen ziehen. Das Performative und Prozesshafte ist in der Arbeit des Künstlers allgegenwärtig: Zum Beispiel in der Zeichnung oder im Zeichnen im weitesten Sinne, die oder das naturgemäss immer auf eine (vom Künstler bereits vollzogene, vom Betrachter visuell und zudem anderweitig physisch nachzuvollziehende) Bewegung der Hand respektive des Auges verweist; im Video, das bei Christoph Rütimann im Zuge der „Handlauf"-Projekte hauptsächlich rasante Bild-Fahrten entlang linearer Strukturen (Handläufe, Kanten, Röhren) wiedergibt; in der Performance, wo sich namentlich Visuelles und Akustisches vereint findet.

Seit etwa 1987 und bis heute spielen Waagenobjekte und Waageninstallationen im Schaffen Christoph Rütimanns eine wichtige Rolle. Sei es, dass der Künstler grosse Mengen mechanischer (Personen-, Küchen- oder Hänge-)Waagen gleichen Fabrikationstyps stapelt, aneinanderhängt oder sonstwie gruppiert, oder sei es, dass er einzelne Waagen in Gips eingiesst, sie bis zum Ende ihrer Skalen bringt oder sie dreht und sie so ihr Eigengewicht wiegen lässt. Wenn diese Waagen etwas messen, dann eigentlich stets sich selber oder einander. Daraus ist zu schliessen, dass es Christoph Rütimann bei diesen unterschiedlichen Waagenarbeiten kaum um die traditionelle Symbolik der Waage geht - die auf Gerechtigkeit, Justiz, Ausgeglichenheit und (Gemüts-)Ruhe verweist. Im Zentrum dieser teils grossangelegten Waagen-(An-)Ordnungen steht vielmehr die Relativität des Messens, vorgeführt in den je nach Position (Lage und Ausrichtung) unterschiedliches Gewicht anzeigenden Skalen, und die Gravitation als eine der vier Grundkräfte der Physik, die unsere Lebenswelt massgeblich bestimmt.

L'escalier de la princesse ist eine der frühesten Arbeiten aus der Gruppe der Waageninstallationen und im Vergleich zu den späteren installativen Werken mit Waagen geradezu bescheiden, was die Dimension und also die verwendete Anzahl Waagen betrifft. Schon im folgenden Jahr, 1991, realisiert Christoph Rütimann seine bis heute grösste Waageninstallation - eine massiv und statisch wirkende, dabei aber eigentlich instabile Pyramide, die aus präzis 4807 Waagen aufgeschichtet ist.

IF

 

Künstler
Christoph Rütimann
Gattung
Installation
Material
Installation mit 195 Personenwaagen (14 bis 1 Stück in 26 Lagen treppenartig aufgestapelt)
Masse
136 x 378 x 32 cm
Standort
Depot
Inventarnummer
Pl 03.024
Credits
Schenkung Stiftung Kunst Heute, 2003
Provenienz
Ankauf 1991 bei der Galerie Mai 38 in Luzern
Ausstellungsgeschichte

Das Werk wurde im Rahmen der Ausstellung Zeitmaschine 2002 im Kunstmuseum Bern sowie der Ausstellung Reisen mit der Kunst 2006 im Zentrum Paul Klee präsentiert.

Literatur

Weitere Infos

BA-Thesis
Rita Müller, "L'escalier de la princesse" (1990) von Christoph Rütimann. Schadenursache bruchgeschädigter Personenwaagen aus Poly(propylen) und Evaluation präventiver Gegenmassnahmen  (Hochschule der Künste / Fachbereich Konservierung und Restaurierung, 2001)