Untitled (Der Werwolf von Wien), 2009

Untitled (Der Werwolf von Wien), 2009, Florian Germann

Die beiden Arbeiten Untitled aus dem Werkkomplex Der Werwolf von Wien - eine vom Künstler frei interpretierte mythische Figur aus dem Reich der sagenhaften Wesen und Geschichten - werden für Florian Germanns erste bedeutende Einzelausstellung im Migros Museum für Gegenwartskunst in Zürich entwickelt: The Poltergeist Experimental Group (PEG) Applied Spirituality and Physical Spirit Manifestation ist nicht nur Ausstellungstitel und Titel seines für die Ausstellung entstandenen Werkzyklus aus 16 Stationen, anlässlich derer Germann die Geistererscheinungen und deren Stofflichkeit erprobt. Zugleich ist der Titel die Vision eines anonymen Kollektivs, das sich mit dem Phänomen des sogenannten Poltergeistes - eine Angst erregende, unsichtbare Präsenz mit selbsttätigen Bewegungen, elektrischen Störungen oder Klopfgeräuschen - beschäftigt. Der dazu entstandene Werkkomplex, dessen einzelne Werke formal, materiell, historisch, inhaltlich sowie narrativ in Beziehung zueinander stehen, gilt als noch nicht abgeschlossen und wird den Künstler auch in Zukunft beschäftigen. Dass es in dieser Ausstellung nicht nur um paranormale Dinge geht, sondern ebenso um Handwerkliches, darauf verweist eine grossformatige Fotografie im Ausstellungsraum, die einen Mann zeigt, wie er an den grossen Zähnen eines Monsters herumwerkelt. Es handelt sich dabei um den Requisiteur der amerikanischen Science-Fiction-Komödie Ghostbusters, der den Geist Slimer zusammenbastelt. Damit verweist der Künstler auch auf andere Quellen, die keineswegs der Glaubwürdigkeit zu entsprechen haben, sondern ebenso den kulturellen, modernen Umgang mit Geistern im Fiktionalen mit einbeziehen. Die weiteren Objekte, Relikte, Notizen, Zeichnungen und Installationen, die Germann für den Themenbereich geschaffen hat, strahlen Laboratmosphäre aus und gemahnen an stetig mögliche Transformationen. Sie verschleiern und demaskieren gleichzeitig den Themenbereich. Es handelt sich dabei weniger nur um für sich stehende, autonome Objekte, als um ein komplexes Netz- und Denkwerk von Situationen und Betrachtungsweisen, die neue Erzählebenen eröffnen und zuweilen durch Aktionen, gleichsam als Geisterwerk, aktiviert werden können. Zugleich verkörpern die Materialien der verwendeten Objekte - Eisen, Glas oder Kunststoff - Eigenschaften, die traditionell dem Werwolf zugeschrieben werden, die Germann verwendet, um damit etwas Abwesendes zu umschreiben. Während den Aufbauarbeiten und am Eröffnungsabend hat der Künstler entsprechende Aktionen bewerkstelligt, die als Spuren an den Objekten sichtbar bleiben. Die beiden in der Ausstellung unbetitelten Kunstwerke, die von der stiftung Kunst Heute erworben wurden, heissen Der Werwolf von Wien. Man kann sie als Assemblagen aus verschiedenen Elementen bezeichnen. Gemeinsam mit weiteren Ausstellungsstücken führen sie thematisch in die fabelhaft-mysteriöse Figur des Werwolfs mittels Verweisen und Experimenten weiter, der nach Ansicht des Künstlers aus Wien stammt.

Die handgeschriebene Legende zum besprochenen Objekt Untitled lautet folgendermassen: „Der Motor führt 220 V in die Silberskulptur und zeigt die optimale Leitfähigkeit des Materials. Die Installation funktioniert, wird aber zum Schutze des Betrachters nicht aktiviert." Das Objekt besteht aus einer kreisrunden Basis. Auf ihr steht ein Notfallgenerator, dem eine Glashaube hinzugefügt wurde, die ein Kilogramm Silber ummantelt.

Nun stellt sich die Frage nach dem Nutzen des Objektes und seiner Möglichkeiten, da die Aktion unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Steht sie für das, wofür sie vordergründig in Erscheinung tritt? Die Spuren, die zurückbleiben und die Erkenntnis um deren Funktionstüchtigkeit erlauben Rückschlüsse auf den Aktivierungsprozess. Zugleich regt das scheinbar seriöse Experiment die Lust zum Weiterführen der Legendenbildung an, um die präsentierten Fragmente und deren Transformationen in eine sinnstiftende Geschichte münden zu lassen und neue Bedeutungsstrukturen zu eröffnen. Schliesslich sind die geschaffenen Skulpturen, Installationen, Objekte und Zeichensetzungen als Konglomerate aus Erinnerungen, Gehörtem (Aberglauben), aber auch aus Gefundenem und Erfundenem, Erforschtem und Assoziiertem aus den Bereichen Wissenschaft, Kultur und Historie zu verstehen. Was den Künstler an seinem offenen Werkkomplex interessiert, ist Parallelen und Verbindungen zwischen diversen Fakten, aber auch zu fiktiven Momenten sichtbar zu machen und diese zu einem neuen Ganzen zu verbinden. Zugleich wünscht der Künstler, durch seine Universen oder Organismen, wie er sie nennt, die bekannten Wege des einseitigen Denkens zu verlassen und neue Zusammenhänge zu erkunden.

 

 

Ankauf 2012 anlässlich der Ausstellung The Poltergeist Experimental Group (PEG) Applied Spirituality and Physical Spirit Manifestation im Migros Museum für Gegenwartskunst in Zürich. Weitere Elemente aus dem Zyklus wurden von der Burger Collection angekauft

 

EMJ

 

Künstler
Florian Germann
Gattung
Objekt
Material
Emergency generator, 1 kg silver, glass, cable
Masse
81,5 x 82 x 45 cm
Standort
x
Inventarnummer
Credits
Schenkung Stiftung Kunst Heute, 2012
Provenienz
Ankauf 2011 beim Künstler
Ausstellungsgeschichte

Literatur

Weitere Infos