Ohne Titel, 1984

Ohne Titel, 1984, John M Armleder

Die formal restriktive Vorgabe des Punktrasters ist ein Themenbereich, mit dem John Armleder in den 1980er Jahren in verschiedensten Variationen experimentiert hat. Bei dieser formalen Beschränkung, wo die  Punkte in gleichmässigem Abstand voneinander in parallel oder versetzt laufenden Kolonnen auf rechteckigen Trägern meist grossen Formats symmetrisch angeordnet sind, bietet die autonome Malerei mit ihren diversen Querverweisen einige Überraschungen, um anregend zu bleiben. Da die grossen, sauber und unpersönlich aus braunem Lack (aus dem Bereich der Dekoration stammend und nicht mit Farben aus dem malerischen Repertoire) gemalten, 40 Punkte in deutlichem Abstand voneinander stehen, ist das Bild in seiner Gesamtheit leicht überschaubar. Diese regelmässige Ansammlung von Punkten auf weissem Leinwandgrund bildet ein Rechteck. Vom Bildrand befinden sie sich in einem Abstand, der bereits den nachfolgenden Punkt erwarten liesse. Dieser Abstand ist somit etwas grösser, als die Distanz von einem Punkt zum anderen. Diese klare, formale Gliederung der Punkte verlangt nicht nach einer Lektüre, die in weitere Dimensionen führen könnte.

Die einfachen Punktsysteme sind nicht als primär malerische Kompositionen gedacht, sondern als visuelles Arbeitsinstrument, als Zeichen zu verstehen. In diesem Sinne arbeitet Armleder, in distanziertem Abstand zur Historie, an der Kontextualisierung eines Werks. Die Vorbilder in der klassischen Moderne (der russische Suprematismus und Konstruktivismus, Francis Picabia wie auch die Schweizer Konkreten) sowie die weiter sich entwickelnde Geschichte in der Malerei von Punkten und Rasterfeldern (u.a. John Baldessari, Larry Poons, Damien Hirst, Yayoi Kusama) werden im Geiste zitiert. Was will Armleder in der dekorativen Anwendung dieses bekannten Vokabulars erzählen? Die Kreise sind, in ihrer unspektakulären Regelmässigkeit, schliesslich keine wohl komponierte Anordnung - die ruhig und gleichmässig gemalten Kreisflächen könnten in ihrer Harmlosigkeit verlegen machen. Auch erheben sie sich nicht zur Monumentalität von Kreise.

Armleder schildert, dass seine erste Punktmalerei respektive -zeichnung von einem Abklatsch einer inspirierenden Zeichnung Francis Picabias ausging in der Art, dass sie in keiner Hinsicht mit dem Werk von Picabia zu tun haben wollte, dessen Punkte in einer eigenartigen Beziehungslosigkeit zueinander stehen und das Prinzip des Gestaltens in Frage stellen. Armleders wohl geordnete und neutralisierende Komposition ist zugleich als distanzierte Präsentation zu verstehen, die mit den sogenannt niederen Zweigen der Kunst charmiert, wo Anonymität herrscht und das mechanische Verfahren der Bildherstellung die Handschriftlichkeit des Autors verdrängt, wie dies bei Tapeten oder Stoffen der Fall ist. Dabei findet der dekorative Effekt des Werks sein Ziel, nicht nur beim Betrachter, sondern ebenso beim Künstler selbst, der seine Bilder gerne in einem dekorierten oder inszenierten Raum in Form einer Installation präsentiert und somit, jenseits eines formalen und symbolischen Kontexts, einen oft vernachlässigten Aspekt der modernen und zeitgenössischen Kunst gekonnt heraufbeschwört.

EMJ

 

Künstler
John M Armleder
Gattung
Malerei
Material
Lack auf Leinwand
Masse
298,5 x 199 x 4 cm
Standort
Depot
Inventarnummer
G 03.032
Credits
Schenkung 2013
Provenienz
Ankauf 1986 bei der Galerie nächst St. Stephan in Wien
Ausstellungsgeschichte

Literatur

Weitere Infos