Ohne Titel, 1990

Ohne Titel, 1990, Alex  Hanimann

Hanimanns Zeichnungen als freie Zeichnungen zu bezeichnen, wäre übertrieben. Oft handelt es sich um ein Abzeichnen, ein Durch- oder Nachzeichnen. Dabei isoliert er die Umrissform von Personen und weiteren Dingen und stellt die Zeichnung in einen neutralen Raum, in welchem der lebendige Kontext nicht mehr vorhanden ist. Resultat ist ein unpersönlicher, zuweilen spröder, distanzierter respektive neutraler Strich, in welchem Wichtigkeiten und Unwichtigkeiten formal gleich geordnet und dargestellt werden und sich in einem weissen Umfeld ohne Handlungskontext präsentieren. Lebendigkeit ist erstarrt, was die Zeichnung zu einem Emblem macht, wo die Figuren und Objekte auf einen Restbestand von Individualität reduziert werden. Durch ihre Zeichenhaftigkeit haben sie einen festen Platz im Feld der Bedeutungen.

Auf dem Blatt Ohne Titel, das Teil eines Werkkomplexes von 10 Bleistiftzeichnungen und 2 Malereien mit Goldbronze auf Papier ist, finden sich 4 x 7 somit insgesamt 28 kleine Hauseinheiten. Deren Öffnungen (Eingänge, Fenster, Zwischenwände der Innenbereiche) sind unterschiedlich gestaltet und von Haus zu Haus entsprechend variiert. Die Wohnmaschine der Moderne wird sozusagen in ihren Möglichkeiten durchexerziert. Dennoch erscheint sie als sinnlos, da das Haus mit Türen keine Fenster hat, jenes mit Fenstern keine Türe, und dem Haus mit Zwischenwänden Vorder- und Rückseite, also die abschliessenden Fassaden - fehlen. Zugleich wirkt die Anordnung dieser hausähnlichen Pavillonstrukturen wie eine miniaturhafte und wohlgeordnete Modellwelt: jeder Struktur ihre Form. In ihrem Ganzen ergeben die Häuser eine bewohnbare Möglichkeit. Das Individuelle fehlt. Die Typologien, die sich hier manifestieren, erscheinen sinn- und bezugslos. Es existieren keine Bewohner. Dennoch hebt Hanimann unter den 28 Häusern eines hervor, indem er dasjenige links unten blank radiert und so zum Leuchten bringt. Als einzige Hauseinheit, die eine Türe besitzt, weist sie den Weg in einen fensterlosen, weissen Kubus.

 

EMJ

 

 

 

Künstler
Alex Hanimann
Gattung
Zeichnung
Material
Bleistift auf Pergament, auf weisses Papier montiert
Masse
32,5 x 24,5 cm
Standort
Depot
Inventarnummer
A 2003.067
Credits
Schenkung Stiftung Kunst Heute, 2003
Provenienz
Ankauf 1990 beim Künstler
Ausstellungsgeschichte

Literatur

Weitere Infos

Der Werkkomplex (10 Bleistiftzeichnungen, 2 Malereien mit Goldbronze) wurde von der Ankaufskommission 1990 anlässlich eines Atelierbesuches beim Künstler erworben, im Wissen, dass diese durch einen weiterführenden Werkkomplex ergänzt werden sollen. Am 1992 erworbenen Pawlow-Block begann Hanimann eben zu arbeiten.