Ohne Titel, 1990
Man kann Hanimanns Zeichnungen nicht als freie Zeichnungen bezeichnen. Oft handelt es sich um ein Abzeichnen, ein Durch- oder Nachzeichnen. Dabei isoliert er die Umrissform von Personen und weiteren Dingen und stellt die Zeichnung in einen neutralen Raum, in welchem der lebendige Kontext nicht mehr vorhanden ist. Resultat ist ein unpersönlicher, zuweilen spröder, distanzierter respektive neutraler Strich, in welchem Wichtigkeiten und Unwichtigkeiten formal gleich geordnet und dargestellt werden und sich in einem weissen Umfeld ohne Handlungskontext präsentieren. Lebendigkeit ist erstarrt, was die Zeichnung zu einem Emblem macht, wo die Figuren und Objekte auf einen Restbestand von Individualität reduziert werden. Durch ihre Zeichenhaftigkeit haben sie einen festen Platz im Feld der Bedeutungen. Nicht selten zwängt der Künstler seine Objekte oder Subjekte aus der lebensweltlichen Realität in schematische oder geometrische Strukturen.
Die Darstellung Ohne Titel ist Teil eines Werkkomplexes von 10 Bleistiftzeichnungen und 2 Malereien mit Goldbronze auf Papier. Sie besteht aus einer Umrisszeichnung, die einen Mann mit einem Vogel präsentiert. Der Mann wendet sich der Taube zu, die eine Hülse an ihrer Brust zwecks Übermittlung menschlicher Botschaften trägt. Der Stil, obwohl er sich grosso modo auf die Umrisszeichnung konzentriert, vermittelt durch wenige Anhaltspunkte (Brille, Fliege ...) eine Aura vergangener Zeiten. Die Konditionierung des Tieres durch den Menschen ist ein Themenbereich, den Hanimann immer wieder in verschiedenster Form beschäftigt, wobei er selten mit Eindeutigkeit Antworten dazu liefert.
Die Botschaft, die den Rahmen um die Darstellung bildet, ergibt in ihrem Ganzen keinen Sinn: GENERATION AUF GENERATION...NATURKRAFT HOFFT AUF BEREITS... ...CHAFT WILD GEBOREN NEIGUNG UND GESINNUNG RECHT BOESE UEBELHA... Zum Teil handelt es sich um fragmentierte Wörter, die erahnt werden müssen, zum Teil um Satzfragmente, die nicht weiterführen. Die Botschaft ist dennoch keineswegs sinnlos, doch muss der Sinn im Spannungsfeld zwischen Natur und Mensch vom Betrachter geschaffen werden.
EMJ