Porträt R. Tobler, 1990

Porträt R. Tobler, 1990, Dieter Hall

Jim Neu betont in seinen Zeilen, die im Aargauer Ausstellungskatalog Ohne Titel (1995) wiedergegeben sind: „.... die Glaubwürdigkeit dieser Penisse zeugt eher von der Glaubwürdigkeit des Kontexts, den Dieter herstellt. Das Haar ist glaubwürdig, die Schultern sind glaubwürdig, die Gesichter sind glaubwürdig, die Penisse sind glaubwürdig."

Halls frühe Porträts von Männern, oftmals von Freunden, präsentieren sich aus einer fast beunruhigenden, etwas provozierenden Nähe, ohne Scham, in ihrer Nacktheit direkt von vorn, frontal, in direktem Blickkontakt mit dem Betrachter. Es sind keine klassischen Modelle, sondern Freunde und Bekannte, die sich vor dem Maler ausziehen. Kaum exhibitionistisch, viel mehr aus Vertrauen und Vertrautheit sind diese fotografischen Stellungnahmen entstanden, die der Künstler anschliessend in Ölbildnisse überträgt. Zu spüren sind, trotz der herrschenden Intimität, respektvolle Distanz, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit. Die Frontalität und das Nacktsein indes fordern den Betrachter heraus. Die überlebensgrosse Präsenz, die keinerlei klassizistische Idealisierung anstrebt, sondern den Mann in seiner alltäglichen Unvollkommenheit festhält, wird von einer warmen Tonalität getragen. Er steht da, bestimmt und elementar. Keine Hymne eines homosexuellen Betrachters an seinen Geschlechtsgenossen, als vielmehr die realistische Darstellung einer Begegnung auf Augenhöhe. Der monochrome Hintergrund unterstützt seine Standhaftigkeit und seinen Charakter und vermittelt diesem zugleich eine weitere Dimension im leidenschaftlich Emotionalen.

 

EMJ

 

Künstler
Dieter Hall
Gattung
Malerei
Material
Öl auf Leinwand
Masse
192,7 x 78,2 cm
Standort
Depot
Inventarnummer
G 03.022
Credits
Schenkung Stiftung Kunst Heute, 2003
Provenienz
Ankauf 1992 beim Künstler
Ausstellungsgeschichte

Literatur

Weitere Infos