Leben & Werk Muda Mathis

Muda Mathis
* 1959 in Zürich
lebt gemeinsam mit Sus Zwick als Künstlerpaar in Basel

 

Muda Mathis, geborene Petra Mathis, ist in Romanshorn aufgewachsen und besucht in St. Gallen den Vorkurs an der Schule für Gestaltung. Es folgt ein Bildhauerpraktikum und eine Assistenz bei der Bildhauerin Charlotte Germann-Jahn. Von 1978-1980 besucht sie die F + F Schule für Kunst und Mediendesign in Zürich, 1980-82 die Sigurt Leeder School of Dance in Herisau und von 1986-88 die Schule für Gestaltung Basel (heute Hochschule für Gestaltung und Kunst) in der neuen Klasse Audiovisuelle Gestaltung bei René Pulfer. Es ist der zweite Kurs überhaupt und der erste mit Frauen. 1987 gründet Muda Mathis mit Teresa Alonso und Regina Florida Schmid die Performancemusikgruppe Les Reines Prochaines, die mit wechselnder Besetzung - Fränzi Madörin und Pipilotti Rist, Gabi Streiff, Sus Zwick, Sibylle Hauert, Michèle Fuchs und Barbara Naegelin - bis heute auftritt. 1988 Gründung der VIA (AudioVideoKunst) in Basel (gemeinsam mit Sus Zwick), wo im Gemeinschaftsatelier eigene und fremde Produktionen konzipiert und realisiert werden. Seit 1990 Produktions- und Lebensgemeinschaft mit Sus Zwick (*1950 in Freiburg im Uechtland). Seit 1996 Lehrtätigkeit an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel. Initiatorin und Mitherausgeberin der Performance Chronik Basel (1968-1986), ein Netzwerk zur historischen Aufarbeitung der Performancekunst im Basler Umfeld (gemeinsam mit Silvana Iannetta, Sabine Gebhard Fink, Andrea Saemann, Anna Schürch, Bernadett Settele, Margarit von Büren, Sus Zwick).

Muda Mathis hat mehrheitlich in Gemeinschaft mit Pipilotti Rist (Japsen, 1988, Die Tempodrosslerin saust, 1990), Käthe Walser (Das Messer im Kompott, 1988), Renatus Zürcher (Der Dienstag, 1990), Sus Zwick und/oder Fränzi Madörin (Babette, 1996) Video-, Foto- und Audioarbeiten sowie Installationen, Performances und Kunst am Bau / im öffentlichen Raum realisiert. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Kollaborateur/innen, eine im Bereich der Musik und des Films übliche Arbeitsweise, ist in ihrem feministischen Selbstverständnis unter dem Motto „Alleine denken ist kriminell" von Anbeginn verankert. Dies wurde im Ersten Manifest grosser und angesehener Künstlerinnen 1999 festgehalten. Schon früh darf Mathis gemeinsam mit Fränzi Madörin 1996 den Videopreis am Internationalen Festival für Film, Video und Neue Medien VIPER entgegennehmen und endlich gemeinsam mit Sus Zwick den Prix Meret Oppenheim im Jahr 2009. 2012 verbringen Mathis und Zwick in einem Atelier der Zuger Kulturstiftung Landis & Gyr ein Werksemester in Berlin.

Eine erste, bedeutende Einzelausstellung und Monographie wird Mathis in der Kartause Ittingen 1995 ermöglicht: J'aime l'électricité. Im gewölbten Keller der Kartause zeigt die Künstlerin die 5-Kanal Video-/Lichtinstallation Sofies Himmel. Weitere Einzel- und Gruppenausstellungen folgen in Museen und Kunsthallen in der Schweiz und im Ausland.

 

Das künstlerische Schaffen von Muda Mathis bewegt sich zwischen den Bereichen der bildenden Kunst - insbesondere Video/Videoinstallation und Performance - und der Musik, wobei sie diese Bereiche auf innige, melodramatische und lustvolle Weise miteinander zu verschmelzen weiss: Worte malen Bilder, Bilder erzeugen Klänge, Töne tragen diese rhythmisch weiter und Aktionen verleihen den Bildern und der Musik eine neue gemeinsame Struktur und Dynamik. Weiteres inhaltliches und zugleich stilbildendes Merkmal ihrer Kunst ist der inszenierte, mit Ironie getränkte Dilettantismus als bewusste Strategie. Von entscheidender Bedeutung in der Kreation der Bilder, die zugleich performativ sind, ist die unorthodoxe Kameraführung. Diese ist keineswegs statisch, sondern am Körper oder an einem verlängerten Teil des Körpers oder der Objekte angebracht und übermittelt dadurch ungewohnte und eigenwillige Ansichten des Geschehens „aus dem Innern der profanen Dinge". Die Betrachter sind somit nicht Beobachter, als vielmehr in die Dramatik des Geschehens involviert, wo subjektive und somatische Befindlichkeiten erkundet werden.

 

Muda Mathis + Sus Zwick lernen sich während ihrer Ausbildung in der Videoklasse von René Pulfer kennen. Frucht einer ersten Zusammenarbeit ist das von Muda Mathis gezeichnete Video und die gleichnamige Videoinstallation Der Waschtag 1990. In kreisenden Bilderfolgen, rhythmisiert von Klängen und Musik, werden alltägliche, unprätentiöse Handlungen, die vornehmlich in den Arbeits- und Lebensbereich und zu Handlungsmustern von Frauen gehören, durch ihr Videoauge mit ironisch-kritischem Blick zu Sinn- und somit auch Lebensbildern gestaltet. Das vermeintlich Dilettantische - das Ungeschliffene, Rohe, Spontane, Verwischte und Verwackelte, das Reale aus dem Leben Gegriffene und Erlebte - wird selbstverständlich und als Krönung verstanden, was spielerisch, in Form einer Bricolage mit Erfundenem, Gesammelten, Erdachtem und Erschaffenem zu einem neuen Ganzen wird. Die Ausstellung Die Erfindung der Welt 1998 führt die kollaborative Auseinandersetzung in der Beschäftigung mit Dasein und Wachstum weiter. Als untrennbares, ungleiches und sich ergänzendes Paar treten Muda Mathis + Sus Zwick fortan oft rot gekleidet miteinander auf und widmen sich in ihrer multimedialen Arbeit, die das Collageprinzip als Stil betreibt, den eigenen Erfahrungen und Fragestellungen im Alltäglichen ebenso wie den sozialen Konstruktionen, genormten, gesellschaftlichen Rollen und deren Infragestellung, so jüngst in ihrer (gemeinsam mit Fränzi Madörin) Fotoserie The Golden Landscape of Feminism (mit gleichnamigem Video als „making of") 2012. In diesem Sinne kreisen die Themen der Künstlerinnen um Geschlechterfragen, Identität, Autonomie und behandeln gesellschaftliche Auseinandersetzungen unserer Zeit. Dieser Themenkomplex, der in den 1970er und 80er Jahren mit anarchistischem Aufbegehren, mit „Saus und Braus", diskutiert wurde, ist heute - in einer Zeit grosser gesellschaftlicher und sozialer Umwälzungen - immer noch oder wiederum von Bedeutung. In diesem Sinne sind Muda Mathis & Sus Zwick mit ihren Kollaborateur/innen gerade für jüngere Generationen Impuls und Referenz für kulturelles Agieren und Reflektieren in unserer Zeit.

www.mathiszwick.ch

 

Esther Maria Jungo

 

 

Werke sortiert nach TitelJahrGattung ↑

Bild Informationen Beschreibung

Muda Mathis

Naked Lesbian Dance Couple

1995

5 Video-Stills zwischen Plexiglas (Edition)

Masse Plexiglas: 12 x 68,5 cm je Teil: 7,5 x 10 cm

Fotografie

Die Edition hält in 5 Stills die Traumszenen der schlafenden Sofie fest, die in der Videoinstallation Sofies Himmel auf 5 Monitoren präsentiert werden: Auf tanzende nackte Frauen (Sus Zwick und Fränzi Madörin) folgt ein Kessel tropfenden Blutes und eine Scheibe goldgelbe, dampfende Polenta. Auf verwischte dynamische Tanzbilder, die im Kreise... [ Weiter ]

Muda Mathis

Sofies Himmel

1995

"Fünf-Kanal-Video/Licht-Installation, bestehend aus: 5 Betacam SP (Farbe, mit Ton, 15'), 11 Lampenobjekte aus Alu, Chassis mit Fassungen (""Sofies Zehe blutet ja, kein Wunder scheint es, schreit sie da"")"

Masse "variabel div. Teile: SIE: 82,5, x 107 x 0,25 cm; JA: 82,5 x 97 x 0,25 cm; DA: 82,5 x 96,2 x 0,25 cm div. Teile: ES: 82,5 x 91,7 x 0,25 cm; KEIN: 82,5 x 154 x 0,25 cm; ZEHE: 82,5 x 183 x 0,25 cm div. Teile: BLUTET: 82,5 x 275 x 0,25 cm; WUNDER: 82.5 x

Videoinstallation

Die Video-/Lichtinstallation wurde von der Künstlerin anlässlich ihrer ersten bedeutenden Einzelausstellung 1995 in der Kartause Ittingen in den historischen, dunklen Kellerräumen realisiert. Sie besteht aus 5 Monitoren, die in einer Flucht hintereinander in einem Abstand von etwa 3 Metern am Boden platziert werden. Die Monitore und deren Bilder sollen in einem Blick erfasst... [ Weiter ]