Wandern, 2006

Wandern, 2006, Monica Studer / Christoph van den Berg

Für die Ausstellung Reisen mit der Kunst im Kunstmuseum Bern, 1996, haben sich Monica Studer & Christoph van den Berg mit der Wanderschaft in digitalen Bergwelten auseinandergesetzt. Diese werden vom Format F2 ausgehend in weiterführenden Ansichten (das Werk besteht aus 6 Teilen) im städtischen Umraum von Bern auf Plakatstellen präsentiert. Einzig ein weiss-roter Kleber als Merkzeichen für eine Wanderroute verweist auf die aktuelle Ausstellung.

Die Künstler lassen eine gewaltige Gebirgslandschaft, die es mit den Augen und den Sinnen zu erwandern gilt, aus der Erinnerung, ohne fotografische Vorlagen, digital entstehen. Das Computerbild, das keine reale Landschaft nachbildet, ist nach malerischen Gesetzen mit Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund, unterstützt von Farb- und Luftperspektive und unter Einbezug der Witterungsverhältnisse, wie Nebel, komponiert. Trotz mimetischem Raffinement sowie Schärfe und Präsenz ist die besondere Computerästhetik des Künstlerduos unverkennbar. Es finden sich amorphe oder kristalline Muster und plane Flächen wie auch Pixelstrukturen und baukastenartiges Zusammenfügen. Wie jedes Tafelbild eine Konstruktion für sich ist und die einzelnen Bestandteile keine nachahmende Qualität besitzen, sondern erst im Malakt Illusionen erzeugt werden, ist es ebenso bei computergenerierten Szenerien die Konstruktion und Gestaltung am Rechner, die letztendlich das Bild erscheinen lässt. Dabei stellt sich die Frage was Realität an und für sich ist, empfinden wir doch die sich darbietende Landschaft, trotz scheinbar sperriger Verweise auf ihre Technologie, als reale Alpenlandschaft, die Empfindungen und Erinnerungen auslöst und auf Wanderschaft einlädt.
Jede Realität und Erinnerung besteht aus real Gesehenem, Medienvermitteltem und Fiktivem. Sogar Ereignisse, an denen wir nicht teilgenommen haben, können wir emotional miterleben. Der Vorgang der Wahrnehmung, bei dem Bilder - traditionelle Alpenbilder, mediatisierte Bergdarstellungen, eigene Erlebnisse und Wanderungen - das Gesehene prägen, ohne sich bewusst zu sein, bestimmt die Bilderfahrung von Monica Studer & Christoph van den Berg. Die sichtbare Digitalität des Motivs spricht somit die neuen Wahrnehmungsgewohnheiten der zeitgenössischen Gesellschaft an, die von den Künstlern in einer Vielzahl von Motiven weiterentwickelt werden. So virtuell ihre Welt daherkommt, so real erweist sich ihre Verführungskraft, die aus dem lehrreichen Fundus der Malerei, der Fotografie und dem Film aber auch aus der Werbung für ihre Zwecke vereinnahmt wurde. Damit konstruieren sie das helvetische Klischee eines räumlich abgeschlossenen, erhabenen Idylls weit weg von jeglicher Zivilisation. Die Einsamkeit in der menschenleeren Natur steht in absurdem Kontrast zur Virtualität des Dargestellten, das mittels globalisierter Verfügbarkeit und höchster Technologie entstanden ist. So lebt das Werk des Künstlerpaars ebenso von den Gegensätzen zwischen der Vorstellung von weltabgewandter Gebirgswelt und der Präsenz und den Möglichkeiten digitaler Technologie. Zugleich hat der heutige Mensch in der globalisierten Welt in zusehends existentieller Weise sein Wissen, seine Informationen und seinen Weg zu suchen, weswegen sich die alpine Gebirgslandschaft als Metapher dazu anbieten könnte. Letztendlich geht es, mittels raffinierter Verführungsstrategien, um ein Nachdenken über Wahrnehmung und darüber, in welcher Weise Realität geschaffen werden kann.

EMJ

 

Künstler
Monica Studer / Christoph van den Berg
Gattung
Computergrafik
Material
Serigraphie
Masse
Blattmasse: 128,0 x 89,5 cm
Standort
Depot
Inventarnummer
S 2006.378.a-f
Credits
Schenkung Stiftung Kunst Heute, 2006
Provenienz
bei den Künstlern, 2006
Ausstellungsgeschichte

Kunstmuseum Bern, 12.4.-18.6.1996, Reisen mit der Kunst. Die Ausstellung findet in Zwischenräumen des Museums statt, im öffentlichen Raum von Bern und Umgebung wie auch in weiteren Institutionen - Galerie Bernhard Bischoff & Partner, PROGRR, videokunst.ch im PROGR, Schlachthaus Theater, Zentrum Paul Klee, Marks Blond Project R.f.u.K. -, die sich für die Gegenwartskunst einsetzen.

Literatur

Ausst.kat. Solothurn, Kunstmuseum, 26.11.2005 bis 12.2.2006. Somewhere else ist he same place.  Als Einband wurde ein kleiner Teil der Berg-Oberfläche aus dem japanischen Aichi gewählt, die auf das Originalmaterial gedruckt wurden. Jeder dritte Band erscheint in einem anderen Schutzumschlag.

Andreas Baur, Hg. Monica Studer / Christoph van den Berg. Being a guest. Basel: Christian Merian Verlag, 2003

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