Pawlow-Block, 1990/91

Pawlow-Block, 1990, Alex  Hanimann

Pawlow-Block lautet der Titel der 45teiligen Arbeit Alex Hanimanns. In einer von verschiedenen möglichen Inszenierungen reihen sich entlang dreier Bahnen je 15 in Grisaille-Technik ausgeführte Tafeln, welche Tier- und Menschenmotive in sachlicher, beinahe fotorealistischer Manier wiedergeben. Während im obersten Band Porträts einander beziehungslos folgen, gruppieren sich in den beiden unteren Reihen verschiedene Tierszenen.

Trotz Systematik der Anordnung und Sachlichkeit der Darstellung irritiert das Werk. Die Reihung zwingt zur kausalen Lesart. Genau diese jedoch verweigert der Künstler, indem er die einzelnen Bilder aus ihrem erläuternden Kontext löst. Damit wird der Betrachter gezwungen, selbst Strukturen ins Bild zu bringen, Sinn zu stiften. Im gedanklichen Aneignen löst sich die Strenge des Werkes auf, tritt individuelle Setzung anstelle objektiver Ordnung. Dennoch gibt Alex Hanimann Hinweise auf mögliche Sinnzusammenhänge. „Pawlow" verweist auf den russischen Physiologen Ivan Petrowitsch Pawlow (1849-1936). Dieser gilt aufgrund seiner Tierversuche als Begründer der Reflexologie, der Untersuchung von Kausalitäten in der Tradition des wissenschaftlichen Positivismus.

Tierversuche und Porträts von Tierforschern aus einem populären Magazin dienen Hanimann als Bildvorlagen. Die auf den ersten Blick sachlich-neutralen Darstellungen offenbaren im Alltäglichen das Fremde und Unwirkliche: In der malerischen Umsetzung sowie der akausalen Folge verdichten sich die Tierillustrationen zu bildgewordenen Fabeln, zu Erzählungen von Ritualisierungen und Konditionierungen. Darin spiegeln sich Machtverhältnisse; nicht nur zwischen Mensch und Tier. Die Anatomie von Natur und Kultur ist nur ein Aspekt in Hanimanns komplexem Bildsystem. Der Künstler konditioniert den Betrachter selbst, indem er dessen Erwartungen ans Bild unterläuft. Jeglichem erklärenden Kontext enthoben, postuliert Hanimann einem Forscher gleich Systematisierungen, welche einzig die eigene Willkür belegen. Die Bildstruktur wird in der zufälligen Folge einzelner Szenen aufgebrochen, der Versuch zur Herstellung einer Systematik, zum enzyklopädischen Überblick, zur Ordnung und zur Sinnstiftung wird ad absurdum geführt. Kultur und Natur, System und Willkür, Ordnung und Chaos, Sinnstiftung und Sinnentleerung, solche Themen umkreist Alex Hanimann im Pawlow-Block, Fragen stellend, ohne verbindliche Antworten geben zu wollen.

 

Koni Bitterii / KB
 in: Ausst.-kat. OHNE TITEL. Aarauger Kunsthaus Aarau 1995

 

 

Künstler
Alex Hanimann
Gattung
Malerei
Material
Öl auf Baumwolle, 45-teilig
Masse
variabel
45 Teile je 42 x 30 cm
Standort
Depot
Inventarnummer
G 03.041
Credits
Schenkung Stiftung Kunst Heute, 2003
Provenienz
Ankauf 1992 beim Künstler
Ausstellungsgeschichte

Literatur

Weitere Infos

Zu diesem Werkkomplex gehören zwei handgeschriebene Blätter des Künstlers als Kommentar zu seinen Intentionen.