Leben & Werk Dieter Hall

Dieter Hall
* 22.9.1955 in Zürich
lebt und arbeitet in Zürich

Dieter Hall widmet sich seit 1981, parallel zu seinem Studium der Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Zürich, autodidaktisch der Malerei. Seine kunsthistorische Abschlussarbeit behandelt die Frage nach den Kriterien für einen künstlerischen Qualitätsbegriff - eine Fragestellung, die in der Folge das künstlerische Schaffen Halls prägen wird. Gemeinsam mit dem Künstlerfreund Martin Disler, mit dem er seine Lust am Malen teilt, gründet er den Verlag „Nachbar der Welt". Nach Abschluss seines Studiums verlässt Hall die Schweiz für New York, wo er sich ausschliesslich der Malerei widmet. Unter anderem pflegt er Freundschaften mit den amerikanischen Fotografen Peter Hujar und Allen Frame, dem Schweizer Maler Hans Witschi und dem Theaterregisseur Terry Robinson, der sein langjähriger Partner wird. Ab 1987 stellt Hall regelmässig in New York (1992-93 im Swiss Institute mit Hans Witschi) und in der Schweiz aus. 1988 Stipendium für bildende Kunst der Stadt Zürich. 1989 Studien- und Werkbeitrag für bildende Kunst des Kantons Zürich. 1993 Atelierstipendium des Kantons Zürich in Paris. 2001-02 Einzelausstellung im Kunstmuseum Solothurn (Kat.).

Die frühen 1980er Jahre, als in der Malerei ein neuer Geist und ein Hunger nach Bildern verzeichnet und neue Positionen, ästhetische Impulse und Themen diskutiert werden, bilden für den jungen Maler und Zeichner Dieter Hall eine fruchtbare Basis, um sein künstlerisches Werk zu entwickeln. Dieses konzentriert sich von Anbeginn auf die Wiedergabe der sichtbaren Welt und des Menschen. Festgehalten wird dies in Porträts oder in Stillleben. Der intime Blick auf das personifizierte Gegenüber und die ihn umgebenden Interieurs oder auch Aussenwelten erfolgt in keiner Weise in idealistischer oder akademischer Manier, obwohl Halls Auseinandersetzung genährt wird durch eine Vielzahl von Beziehungen und Anleihen kunsthistorischer Positionen im alten Europa (Edgar Degas, Henri Matisse oder Pierre Bonnard), aber auch im modernen und zeitgenössischen Amerika (unter anderem Thomas Eakins, Peter Hujar). Zentrum bildet stets die visuelle und psychische Wahrnehmung des Menschen - seine innere und äussere Welt im Alltag -, und die Darstellung seiner unmittelbaren Umwelt. Eine Atmosphäre der Melancholie, aber auch der Lebenslust und Ironie kennzeichnen seinen unverkennbaren kargen Stil und Malduktus: Einfache, im Verlauf der Jahre oft zusehends reduzierte Formgebungen treffen mit leuchtenden oder glühenden, warmen Farbflächen aufeinander. Ungewöhnliche Perspektiven und angeschnittene Motive, die an Kompositionen des Japonismus gemahnen, sowie anatomische Überzeichnungen lenken den Blick auf das Besondere, das im Alltäglichen wirkt. Intime Einblicke erzählen von persönlichen Begegnungen und eröffnen ein privates Universum, wo die Auseinandersetzung mit dem Anderen sich im Blick und in der Gefühlswelt des Malers oder Betrachters findet. Ruhende, schlafende, tagträumende, sich waschende oder dem Betrachter gegenüber stehende, sitzende, liegende männliche Akte oder bekleidete Männer erzählen von einer einfühlenden Auseinandersetzung zwischen dem Maler und seinem Modell, von Auseinandersetzungen unter oder mit Männern und einer zeitlosen Befragung von Menschen in ihrer körperlichen und seelischen Erfassung. Stühle, Betten, Badewannen, Duschvorhänge, Badetücher oder Toiletten - Innenräume des Daseins erzählen vom Alltag, seinen Perspektiven, seiner Nutzung und Belebung und seiner Fragilität. Vorbild hierfür sind fotografische Aufnahmen des Künstlers. Präsentiert in Positionen oder Situationen des Ausgesetzt-Seins werden Stille, Nacktheit, Erotik und Intimität thematisiert, doch ohne Voyeurismus oder klassische Idealisierung. Themen wie Sexualität, Schutzlosigkeit, Zärtlichkeit, Wehmut, aber auch Vergänglichkeit, Altern und Krankheit werden berührt. Sie kennzeichnen das Interesse des Künstlers am Selbstverständlichen und an der Menschenwürde, was sich in einem unverkennbaren, sinnbildhaften Stil niederschreibt.

 

Marginal ist die Bedeutung der Malerei in der heutigen Kunst des abendländischen Westens, noch marginaler ist die figurative Schaffen. So nimmt Dieter Halls Werk in der zeitgenössischen Kunst eine isolierte Stellung ein, und zugleich handelt es sich um ein absolut zeitgenössisches Oeuvre, das sich in den 80er Jahren bis heute konsequent weiterentwickelt und sich zugleich treu bleibt.

 

Esther Maria Jungo

 

Werke sortiert nach TitelJahr ↑Gattung

Bild Informationen Beschreibung

Dieter Hall

Porträt C.H.

1990

Öl auf Leinwand

Masse 192 x 86 cm

Malerei

Jim Neu betont in seinen Zeilen, die im Aargauer Ausstellungskatalog Ohne Titel (1995) wiedergegeben sind: „.... die Glaubwürdigkeit dieser Penisse zeugt eher von der Glaubwürdigkeit des Kontexts, den Dieter herstellt. Das Haar ist glaubwürdig, die Schultern sind glaubwürdig, die Gesichter sind glaubwürdig, die Penisse sind... [ Weiter ]

Dieter Hall

Porträt R. Tobler

1990

Öl auf Leinwand

Masse 192,7 x 78,2 cm

Malerei

Jim Neu betont in seinen Zeilen, die im Aargauer Ausstellungskatalog Ohne Titel (1995) wiedergegeben sind: „.... die Glaubwürdigkeit dieser Penisse zeugt eher von der Glaubwürdigkeit des Kontexts, den Dieter herstellt. Das Haar ist glaubwürdig, die Schultern sind glaubwürdig, die Gesichter sind glaubwürdig, die Penisse sind... [ Weiter ]